Briefe vom Dorfleben in Garafia

Diese Briefe über das Dorfleben im Norden von La Palma schreibt uns Antje, die seit 16 Jahren in Garafia lebt.

Antje vermietet auch ganz privat und in Form einer Wohngemeinschaft ein Gästezimmer.

Liebe Karin!

Meine Meditation ist, seit ich in Garafia lebe, eher praktisch, jetzt gerade versenke ich mich täglich mehr in das Wesen des Drachenbaums, werde bald selber einer. Ja, und dann gab es heute einen Sonnenuntergang… Ich praktiziere keinen Buddhismus, ich geniesse die Freiheit und jeden Moment, so gut ich kann, ich tue mein Bestes, um meinen Kindern und der Erde, meiner Mutter, zum überleben zu verhelfen, ich bewundere die Religion der Hopi-Indianer als etwas für mich Unerreichbares, mein Herz gehört Jesus und der Menschenliebe, meine Mala habe ich von Baghwan, und mir selber gefalle ich am besten als heidnische Hexe.

Von allem ein bisschen, magst Du sagen, aber warum eigentlich nicht, das Leben hat so viel zu bieten, da wäre es doch schade,sich festzulegen, oder? Und so kann man noch viel mehr vermitteln… Auf die Art werde ich zwar wahrscheinlich nicht erleuchtet, aber das strebe ich in diesem Leben bis jetzt auch noch nicht an.

Du bekommst noch meine Übersetzung der Mercadillo-Website, ich habe es gemacht so gut ich kann, bin halt kein Profi. Jetzt werden wir sehen, wie schnell Brian das schafft, und ob er den Text überhaupt so bringen will, vielleicht ist er dann schon nächste Woche im Internet.
Jetzt schicke ich diesen Brief erstmal ab.

Viele Grüße! Antje

Liebe Karin!

Die Reise nach Teneriffa war schön, aber jetzt bin ich froh, wieder zuhause zu sein, und wie! Soviel Trubel bin ich nicht gewohnt und muss ich erstmal verarbeiten. Teneriffa ist zwar auch schön, aber voll, vor allem die vielen Autos würde ich auf die Dauer nicht erleben wollen. Die Linienbusse sind übrigens perfekt organisiert und viel billiger als in La Palma, allerdings musste ich ja meine ganze Werkstatt mitnehmen, das war schon Schlepperei. Alban ist gut angekommen, Pablo nach Bilbao geflogen, alles hat nach Plan geklappt, nur das Schiff hatte auf der Rückfahrt Verspätung, da das Meer recht wild war und es deshalb nur langsam fahren konnte.

Die Feria war routiniert und liebevoll organisiert, jeder Teilnehmer war wichtig, wir haben sogar ein Diplom bekommen, ein gutes Mittagessen (Fisch natürlich), und den ganzen Tag Folklore-Live-Musik. Das hat dann allerdings auch irgendwann gereicht, da haben die Freaks vom Trommelstand die Musik übernommen, das war dann auch gut. Jeder hatte eine kleine Bambushütte, 2 mal 2 Meter, einen Tisch, ein Regal, zwei kleine Schulbänke und zwei Stühle. Es war interessant, zu sehen, wie sich jeder damit eingerichtet hat. Das Angebot war vielseitig und interessant, ein paar ganz tolle Sachen waren auch dabei. Wir hatten es ganz gemütlich, aber ab 16 Uhr Sauna. Die teilnehmenden Kunsthandwerker waren alle sehr nett, ich habe ein paar neue Freunde gewonnen und Kontakte geknüpft, die für die Zukunft interessant sein können. Das ist immer eine ganz witzige Mischung aus alten Mütterchen (neben mir war eine besonders Liebe mit Besen aus Palmblättern) und Opas, die zum Teil noch nie die Insel verlassen haben, und weitgereisten Künstlern, auch die Hippies haben ihren Platz, Konkurrenzen habe ich keine gesehen, eher das Gegenteil. Die Stimmung war gut genug, dass es sich gelohnt hat, auch wenn der Verkauf eher flach war, so ähnlich haben das alle gesehen. Ich habe sogar einen Fernsehauftritt im deutschen Kanal 60 gehabt, den ich natürlich mal wieder selber nicht anschauen konnte, ausser mir war nur noch ein Deutscher mit Holzsachen aus Gomera vertreten.

Botho hat mich auf der Feria besucht, nachdem wir vorher telefoniert hatten, ansonsten bin ich anscheinend jetzt in Los Silos überall bekannt, ich wurde von so vielen gegrüsst, das war ein schönes Gefühl, fast wie zuhause. Alban hat mir diesen Brief gegeben, den Du allen Deinen Gästen mitgibst. Ich finde ihn sehr gut gemacht, bin mit allem einverstanden und ich würde Dir noch meinen Arzt empfehlen: Zufällig gibt es seit einem Jahr den besten deutschen Arzt auf der Insel, dem ich je begegnet bin, er weiss halt nicht nur über Schulmedizin Bescheid. Er ist mit Frau und 2 kleinen Kindern vor 2 Jahren hergekommen, sie bauen eine alte Finca aus und können Unterstützung also gut gebrauchen. Bleibt noch zu sagen, dass Alex mich vor ein paar Wochen behandelt und sogar operiert hat und als Bezahlung nur eine Drachenbaumkette als Ostergeschenk für seine Frau wollte.

Zum Schluss dieses Briefes wollte ich Dich noch fragen, ob Du eigentlich weisst, dass die Einheimischen den Hafen von ihrem geliebten Garafia Shambala nennen und sich dort unten auch so grüssen (vornehmlich nach einem guten Fischfang und reichlich Weinkonsum heisst es dann Shambalalala..) Ich war ziemlich verblüfft, vor allem, weil kein Mensch weiss, woher das kommt und niemand hier je in Tibet war oder auch nur eine Idee davon hat. Also wieder einmal einer dieser merkwürdigen Zufälle. Auch mit dem Foto von Dalai, dass ich auf der Feria in Garachico als Dekoration dabei hatte, habe ich wieder eine fast unglaubliche Geschichte erlebt.

Bis bald, viele liebe Grüße! Antje

Liebe Karin!

Tut mir leid, ich wollte Dich bestimmt nicht belästigen mit meinen Briefen, aber Du hast auch immer soviele Fragen, die ich Dir gleich beantworten möchte.

Heute morgen bin ich davon aufgewacht, dass es geregnet hat! Die Einheimischen gehen ans Meer, wenn es im Sommer zu heiss wird. Es gibt für jedes Dorf ein paar mehr oder weniger schön eingerichtete Wohnhöhlen direkt am Meer. Das wäre zwar ein Witz, aber vielleicht kann ich Dir ja diesmal was vermitteln, ein oder zwei gibt es auch zu mieten.

Wenn Du in Garafia barfuss läufst, wollen Dir alle Schuhe schenken, da sie es noch gut von früher kennen, wo es einfach kein Geld dafür gab. Es hat also nichts mit Provokation oder Respektlosigkeit zu tun, wie in Deutschland, es weckt nur Mitleid.

Und mindestens im Mercadillo sitzen wir alle in einem Boot und arrangieren uns ganz gut. Im Winter habe ich mal den alten Alvaro, der dort seine Messer verkauft, in meine tunesische Woll-Djellaba gepackt, und es war so kalt, dass er trotz Protest das Ding anbehalten hat und ausgesehen hat, wie ein türkischer Säbeltänzer. An dem Tag hat er verkauft, wie sonst nie! Wir sind übrigens alle mehr oder weniger Zwilling in unserem Haus, kein Wunder, dass Dir das zuviel wird.

Ich bin geboren am 6.6.58 in Bielefeld, mein Horoskop und die meiner Kinder habe ich hier liegen. Alban ist Waage, Adrian Zwilling, Pablo Wassermann und Dalai Zwilling. Dalai ist im Aszendent Löwe, darum heisst er mit zweitem Namen Leon. Der Mann von der Hebamme ist Hobby-Astronom und hatte zur Geburt das Teleskop im Garten aufgestellt. Die Astrophysiker vom Roque wären trotzdem sicher nicht einverstanden, die gehen anders mit den Sternen um. Aber dieser Besuch war sehr beeindruckend, in dem grossen Herschel-Teleskop habe ich mich wie in einem Tempel gefühlt, und das nicht nur, weil es wohl die höchste Kuppel ist,in der ich je war. Auch die Stimmung war irgendwie ehrfürchtig und nicht von dieser Welt. Zum Beispiel wird dort kein Gedanke an Geld, Arbeitszeiten usw. verschwendet, ist wohl auch nicht nötig. Soweit mit den Problemen und dem wunderschönen Leben.

Viele liebe Grüße! Antje

Liebe Karin!

Natürlich darfst Du meine Briefe gerne weiterleiten, ich hoffe nur, dass niemand sauer ist nachher, denn es sind doch meine persönlichen Eindrücke, die ich da weitergebe, jemand anders sieht die Dinge bestimmt ganz anders.

Gestern war, ob Du es glaubst oder nicht, wieder so ein Shambala-Tag, und das ging so: Perpetua musste in San Antonio arbeiten, dort kocht sie gelegentlich in der Herberge für Gruppen. Dafür hat sie einen ihrer Söhne zum Käse verkaufen auf den Mercadillo geschickt. Nach dem Markt haben wir ewig lange auf ihren Mann gewartet, um mit ihm nach hause zu fahren. Wir wollten schon mit der Guagua fahren, da kam er endlich mit dem alten Jeep. Er musste noch Benzin für seinen Generator holen, also erstmal ein Bier oder zwei auf der Tankstelle, danach wollten wir schnell noch ein bischen was einkaufen in der Bar in Las Tricias. Dort war gerade die Eröffnung von der neuen Plaza, 3! Alcaldes (Bürgermeister) kennen mich plötzlich mit Namen, haben mir die Hand geschüttelt und gefragt, wie es geht. Alfonso, unser Fahrer hat dann gemeint, die politischen Feste gefallen ihm nicht, und er weiss was Besseres. Also sind wir nach Cueva de Aqua an einen Platz mit traumhaft schöner Aussicht gefahren, ich habe nicht genau verstanden, warum, aber dort wurde uns aufgetischt, bis alle randvoll und natürlich auch besoffen waren. Es gab jede Menge Fleisch und den Wein wie üblich aus 2-Liter-Cola-Flaschen, dann haben alle gesungen. Kam jemand Neues hinzu oder hat sich jemand verabschiedet, hiess es Shambalala, damit war alles gesagt, es ist wie ein Passwort, um dazuzugehören, ich fühle mich da immer richtig geehrt, bin wohl die einzige Deutsche, die dazu gehört, und auch die einzige Frau. Allerdings habe ich Alfonso irgendwann daran erinnert, dass er ja noch seine Frau abholen muss, ohje, vorher musste er aber noch in den Barranco zu seinen Ziegen, den neuen Käse wenden. Also ging es weiter, immer mit dem Fass mit 2oo Litern Benzin und 3 Jungs hinten drauf. Es war mittlerweile schon dunkel, und Alfonso musste Licht in seiner Käserei machen, dabei sind die Schweine aufgewacht. Es gab einen Höllenspektakel, ein kleines Schwein wäre fast abgehauen, hat sich zwischen den Brettern verklemmt. Also Alban und ich waren um Mitternacht zuhause, Shambala ging dann unten im Hafen weiter, aber ich hatte genug für den Tag, heute ist schliesslich auch noch einer. Das sind die einzigen Momente, wo sogar ich mal Alkohol trinke und mich darauf einlasse, obwohl ich sonst eine ziemliche Abneigung gegen Betrunkene habe. So eine Fiesta ist eindeutig was fürs Volk, alle hatten ihre Arbeitsklamotten an, Alfonso hat furchtbar nach Käse gestunken, irgendwie gerade zum Trotz gegen die feierlichen Politiker und die Show auf der Plaza in Las Tricias. Alban hat eine tolle Zeit hier, und das ist mir wichtig. Morgen überlegen wir uns was mit seinem Rückflug, jetzt ist erstmal Mercadillo, und danach sind wir auf den Roque zur Besichtigung des schwedischeen Teleskops eingeladen! Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag!

Viele Grüße! Antje

Liebe Karin!

Gerade sind wir vom Roque zurückgekommen, ich hatte nicht gewusst, dass die sich soviel Zeit für uns geben, wir haben fast alles gesehen und einen zweistündigen Vortrag bekommen. Auf die Türme kommt man mit einem Aussenaufzug, wie ihn bei Euch die Fensterputzer haben, da hatte ich ziemlich Schwindelprobleme, trotzdem war es ein Erlebnis, das wir nicht vergessen werden, vor allem für Antonio, einen Freund aus Garafia, der bis jetzt kaum was von der Welt gesehen hat, aber dort oben jeden Fleck von früher her kennt. Eingeladen waren wir von dem holländischen Team, das neben den Schweden dort die Sonne beobachtet. Falls es Dich interessiert, kannst Du ja mal bei dot.astro.uu.nl im Internet schauen...

Das finde ich ja gerade so schön mit Dir, dass Du mich ernst nimmst und magst, auch wenn wir einen ganz verschiedenen Lebensstandard haben und eigentlich aus 2 Welten kommen. Ich kann gut verstehen, dass unser Haus für Dich nicht vermittelbar ist, und es ist ja auch viel besser so. Aber dass wir trotzdem befreundet sind, ist anscheinend schon was Besonderes und bereichert bestimmt die Sichtweise, und dafür bin ich dankbar. So geht es mir auch immer mit den Festen hier, da eintauchen zu dürfen lässt einen mehr erleben, als auf langen Reisen, man hat eine völlig andere Welt gesehen, die doch genau vor der Tür ist. Am wohlsten fühle ich mich immer in meinem kleinen Paradies hier, da muss ich garnicht raus, aber jetzt gerade möchte ich dem Alban auch was bieten und bin froh, wenn ihm nicht langweilig ist und wir so spezielle Sachen erleben.

Heute habe ich herausbekommen, dass es in diesem kleinen Haus, in dem wir gestern waren, tatsächlich jeden Tag Essen gibt “für alle, die vorbeikommen”. Es ist ein Treffpunkt für die Ziegenhirten, die lang- oder kurzfristig keine Frau haben, die für sie kocht, dann kocht immer abwechselnd einer von denen, ist doch toll, oder? Und sambala heisst es, ganz ohne h, es kommt aus Brasilien und steht tatsächlich in keinem Lexikon, aber es hat was mit Samba zu tun, also hat sich das auch geklärt. Übrigens habe ich, wie Du siehst, jedes Programm, das ich mir nur denken kann, und besoffen haben wir uns eigentlich auch nicht gestern, der Wein ist halt sehr stark, und ich bin das nicht gewohnt. Die haben wunderschön gesungen gestern, nicht dieses Kneipengegröhle, wenn Du das meinst. Soweit die Geschichten von Garafia.

Jetzt gibt es die Mercadillo-Website auch in Deutsch und sogar mit aktuellem Veranstaltungskalender ((wobei die Sprungfedermatraze ja wohl ein Trampolin sein soll), Brian arbeitet schnell und zuverlässig, wie Du siehst. Heute habe ich die Ketten für Dich ausgewählt, aber Alban hat es nicht besonders eilig mit seinem Rückflug, und ich werde ihn sicher nicht drängen.

Die Opernsänger, die Ende Juli kommen, wollen unbedingt hierher, natürlich vor allem wegen dem Klavier, das sie täglich zum Üben brauchen. Ich hoffe, Du geniesst Dein Leben!

Du wolltest Blumenfotos, das ist genau mein Fall. Im Anhang schicke ich Dir eine Probe. Irgendwann möchte ich gerne das Nashorn im Tijarafe-Barranco fotografieren.

Liebe Grüße, Antje

Liebe Karin!

Diese Plätze sind nicht vermittelbar und nur mit grossem Glück und Beziehungen zu bekommen, Fluchtpunkte für die Familien, die mit 20 Personen aus 3 Generationen in einem Haus leben, falls einer mal seine Ruhe will.

Jedes Dorf hat hier sowas, z.T. sind die Höhlen mit der Hand aus den Felsen geklopft, und erst, seit in Garafia vor 4 Jahren Wasserleitungen da runter gelegt wurden, wohnen manchmal auch Leute richtig dort. Einmal habe ich so eine Höhle für ein verlängertes Wochenende mieten können. Dafür musste ich aber ganz viel bitten und reden, weil die meinten, es wäre nicht gut genug und kein Geld dafür nehmen wollten. Das war im “Hafen” von Puntagorda, und das erste, was ich morgens gemacht habe, war eine lange Runde schwimmen gehen, das letzte am Abend ebenfalls. Das Meer ist dort unglaublich nah, nachts denkst Du am Anfang, die nächste Welle schwappt in Dein Bett. Ich wohne ja lieber im Grünen, aber für Retreats ist so ein Platz optimal, weil völlig reduziert, wenn Du verstehst, was ich meine. Nur ein Tag dort, und Du kommst zurück und fühlst Dich erstmal, als wärst Du nicht von dieser Welt, vielleicht auch deshalb, weil Konsum in vieler Hinsicht reduziert ist, man muss ja alles schleppen, und Strom gibt es halt höchstens solar.

Also Du, machen wir ein La Palma Tagebuch, ich bin dabei, wenn es nicht zu verpflichtend ist, d.h. ich nun nicht jeden Tag um punkt Uhr einen Bericht abliefern muss.

Ich wünsche Dir viel Freude mit Luisa Francia und dem Tanzen! Gönn Dir was, Du hast es verdient!

Viele Grüsse! Antje


Das Foto stammt von Dierk Topp, an die Qualität komme ich nicht ran.

Liebe Grüße, Antje

Liebe Karin!

Ich habe eine Freundin, die hat einen winzigen Buchladen in Los Llanos. Wenn das neue Schuljahr anfängt, bringt sie die Schulbücher bis nach Garafia, bis da alles beisammen ist, muss sie bestimmt 10 mal fahren. Bei der handelsüblichen Gewinnspanne im Buchhandel frage ich mich oft, wie sie eigentlich ihr Geschäft macht. Jedenfalls gibt es keinen Aufpreis für den Transport, dafür laden wir sie dann auf einen Kaffe ein, wenn sie schon so weit gefahren ist. Und wenn ich in Los Llanos bin, ist ein Besuch bei ihr obligatorisch. Gestern hat sie mir erzählt, dass sie schwanger ist und sich riesig freut. Wir mussten lachen bei der Vorstellung, wie sie sich wohl in einem halben Jahr zwischen all den Bücherstapeln und Papieren noch bewegen will, da muss sie wohl ihr Sortiment mindestens halbieren. Manche dieser kleinen alten Läden sind wirklich nur für die ganz dünnen Leute ausgelegt, die anderen werden auf der Strasse bedient. Draussen traf ich dann eine alte Bekannte. Sie stieg gerade aus einem ganz neuen und bestimmt sehr teuren Auto aus, zu dem ich dann beglückwünscht habe. Trotzdem ginge es ihr überhaupt nicht gut, sagte sie. Sie sei fast rund um die Uhr mit ihrem 20-jährigen Sohn beschäftigt, dem ginge es sehr schlecht. Ich hatte ihn kurz zuvor gesehen, er sah ganz fröhlich und munter aus, ich konnte mir nicht erklären, was ihm fehlen soll. “Der kann nichts machen, nur das Leben geniessen”, sagte sie wörtlich, da war ich schon reichlich verdutzt. Wo ist denn da das Problem geblieben??? Sicher ist es schwierig bis unmöglich, bei so einer kurzen Begegnung in Eile mit zwei Sätzen zu erklären, wie es einem geht, wo man gerade steht usw. Unter den Einheimischen ist es obligatorisch, sich nach dem Befinden zu erkundigen, egal, wie gut man sein Gegenüber kennt, genauso obligatorisch ist es aber auch, mit “gut” zu antworten, wenn man gefragt wird, und wenn es einem noch so schlecht geht. Für mich ist das immer eher so ein Anlass, hinzuschauen und zu sehen, dass es einem ja wirklich gut geht, man hat es ja gerade selber gesagt, und schon kehrt sich die Laune um. So einfach ist das, und was gibt es Besseres, als das Leben zu geniessen?

Auch für diesen Brief gibt es ein Foto.

Liebe Grüße! Antje

Liebe Karin!

Also am Mittwoch kamen die Opernsänger schon um 12.40 am Flughafen an, ab spätestens 15.00 Uhr sollte ihnen das Haus also fertig geputzt zur Verfügung stehen. Sybille und ihre 2 Jungs haben länger als geplant für ihren Auszug gebraucht, da sass ich schon auf Kohlen, als ich um 11.3o Uhr in die Küche kam, lag der 16-jährige noch im Bett, aber zum Abschied wollte ich natürlich nicht drängeln, und es gab, wie immer, noch soviel: “hast Du mal dies, wo sind meine Schuhe, kannst Du mir noch sagen, wo der und der Strand ist, usw. Das haben wir aber alles noch ganz gut hinbekommen, und Sybille meinte, sie hätte sich ganz gut hier erholt, und sie hätten eine gute Zeit gehabt. Da wusste ich, dass ich das Unmögliche auch noch schaffe, in 2 Stunden eine komplette Endreinigung hinzulegen. Den Andorraner, der ja sowieso kaum aus seinem Zimmer rauskommt, hatte ich schon Tage vorher gebeten, sich diese 2 Stunden aus der Küche fernzuhalten, er sagte, das sei überhaupt kein Problem, er ist immer sehr liebenswürdig, wenn man ihn anspricht, er hatte mir sogar angeboten, mir beim Putzen zu helfen!

Sybille war keine halbe Stunde weg, da kam er vom Einkaufen zurück mit Calamares. Ich sollte ihm doch bitte erklären, wie man die zubereitet. Ich muss wohl komisch geguckt haben, denn er meinte beim reinkommen: “schau mal, ich mache auch nichts schmutzig” und zeigte mir seine Füsse! Als ich dann sagte, dass ich keine Zeit hätte, fing er selber an zu hantieren und erzählte ohne Unterbrechung von Autounfällen, Wüstenabenteuern und “wie Calamares in Guatemala oder wo auch immer zubereitet werden”. Eine Weile haben wir dann nebeneinander rumgewurstelt, bis ich gemerkt habe, dass es so nicht geht. Ich bin dann raus und habe ihn gebeten, mir Bescheid zu sagen, wenn er fertig ist, da schrie er plötzlich hinter mir her, ob ich eigentlich wolle, dass er verhungert.

Ich bin nur ganz kurz zu “meinem” Drachenbaum gegangen, habe mich dagegengelehnt, und plötzlich kam mir das ganze Theater so unwichtig und kleinlich vor, da fing plötzlich der 2., kleinere Drachenbaum an, mit mir zu kommunizieren. Er steht zwar fast daneben, aber er ist völlig mit einer Schlingpflanze zugewachsen, man nimmt ihn neben seinem grossen Bruder kaum wahr. Er muss sich sehr anstrengen, seine Blätter sehen kaum noch das Licht, und er wächst viel langsamer, als der andere, aber es geht ihm gut, er scheint nichts dagegen zu haben, für die Schlingpflanze Stütze zu sein. Der Drachenbaum hat das geduldigste und gleichzeitig mächtigste Wesen, das ich kenne, vielleicht, weil er weibliche und männliche Energie im Gleichgewicht vereint, anders kann ich es nicht ausdrücken. Der Drachenbaum hat es z.B. nicht nötig, andere Pflanzen zu verdrängen, genausowenig lässt er sich verdrängen.

Joan hat sich dann tatsächlich mit seinem Essen sehr beeilt, das Putzen ging flott, und als ich gerade fast im Zeitplan fertig war, riefen die Opernsängern an, sie seien gut gelandet, würden aber erst abends kommen, sie wollten noch in Tazacorte an den Strand. Die Geschichte geht aber noch weiter, denn es hatte schon einen Sinn, dass ich mich so beeilt habe, denn eine Stunde später standen sie dann doch schon da.

Siehst Du, wie sich eines ins andere fügt? Hätte ich morgens schon gewusst, dass die erst abend kommen wollen, wäre bestimmt alles drunter und drüber gegangen, und das sind schliesslich immer meine wichtigsten Gäste. Joan kam dann mitten in der Nacht noch und hat mich um Aspirin gebeten, er hätte schon seit gestern fürchterliche Kopfschmerzen. Das war dann seine Art, sich zu entschuldigen, anders kann er es wohl nicht, und so ist es ja auch in Ordnung.

Viele Grüße! Antje

Liebe Karin!

Du hast ja schon gemerkt, dass hier trotz aller Ruhe und Abgeschiedenheit eine Vulkanenergie herrscht, die ist einfach da und kann sehr nützlich sein, weil sie die Dinge in Bewegung hält, aber manchmal ist es auch zuviel, dann kommt alles zusammen.

Ein Freund von mir hat gestern aus Versehen Chlor getrunken!! Er hat beim Käse machen einfach ins Regal gegriffen, weil er Durst hatte, und hat die falsche Flasche erwischt. Danach ist ihm so die Zunge angeschwollen, dass er nicht mehr sprechen und also auch nicht per Handy Hilfe holen konnte. Zufällig kam dann gerade mein Anruf, um zu fragen, ob ich mit ihm zum Mercadillo fahren kann.

Ich wusste, dass er nicht betrunken sein kann, da er das noch nie war und schon garnicht vormittags beim Arbeiten, und war sehr erschrocken. Er hat dann, wohl zum ersten Mal in seinem Leben, literweise seine eigene Ziegenmilch getrunken, und das hat geholfen. Jedenfalls wird ihm sowas wohl nie wieder passieren.


Liebe Karin!

Du hast ja schon gemerkt, dass hier trotz aller Ruhe und Abgeschiedenheit eine Vulkanenergie herrscht, die ist einfach da und kann sehr nützlich sein, weil sie die Dinge in Bewegung hält, aber manchmal ist es auch zuviel, dann kommt alles zusammen.

Ein Freund von mir hat gestern aus Versehen Chlor getrunken!! Er hat beim Käse machen einfach ins Regal gegriffen, weil er Durst hatte, und hat die falsche Flasche erwischt. Danach ist ihm so die Zunge angeschwollen, dass er nicht mehr sprechen und also auch nicht per Handy Hilfe holen konnte. Zufällig kam dann gerade mein Anruf, um zu fragen, ob ich mit ihm zum Mercadillo fahren kann.

Ich wusste, dass er nicht betrunken sein kann, da er das noch nie war und schon garnicht vormittags beim Arbeiten, und war sehr erschrocken. Er hat dann, wohl zum ersten Mal in seinem Leben, literweise seine eigene Ziegenmilch getrunken, und das hat geholfen. Jedenfalls wird ihm sowas wohl nie wieder passieren.

Da kommt ein streng blickender Österreicher auf dem Mercadillo an meinen Stand und fragt, ob er mich mal sprechen kann, in einem Ton, der mich fast erschreckt hat. Er wollte von mir die Bedeutung von dem Foto von Dalai erklärt haben. Ich war erstmal sprachlos, da meinte die Angelika, meine Standnachbarin, die dort Harfe spielt und ihre wunderschöne CD verkauft (Du bekommst sie demnächst) zu ihm, das sei doch sonnenklar, das Kind würde beten, so wie es alle Dalais tun. Ich hätte sie küssen können, der Österreicher ist etwas pikiert in die andere Richtung verschwunden.

Später kamen zwei sehr nette junge Männer, einer war Asiate. Er hat mir eine Drachenbaumkette abgekauft, und ich wollte ihm einen gerade gekeimten kleinen Drachenbaum dazu schenken, was ich ja immer mache, da ich beim Samen sammeln oft welche finde.

Er wollte wissen, wie der aussieht, wenn er gross ist, da hat ihm sein Freund einen riesigen alten Drachenbaum auf der anderen Seite des Barrancos gezeigt. “Der ist mindestens 100 Jahre alt” habe ich zu ihm gesagt, da meinte er wörtlich: “100 Jahre, ach Du Scheisse! soviel Zeit habe ich nicht!” und hat das Geschenk abgelehnt. Wir haben herzlich gelacht. Heute um 15.00 Uhr, als der Markt zuende war, sind alle losgegangen, um ihre Autos zu holen. Dazu musst Du wissen, dass es vor der Markthalle einen grossen Platz gibt, auf den wir zum Be- und Entladen fahren dürfen, danach müssen aber alle Autos wieder weggebracht werden, da der Platz für Extraveranstaltungen und für die vielen spielenden Kinder frei bleiben soll. Ausserdem hat die Halle ein überstehendes schattenspendendes Dach, wo gerade zwei oder drei Babies in ihren Kinderwägen schliefen, als wir auf einen Schlag von über 75 (ich habe gezählt, soweit ich kam) Motorradfahrern überfallen wurden, eine Maschine grösser und dicker als die andere. Einige haben sich darauf beschränkt, direkt vor dem Mercadillo in einer Reihe zu parken, andere haben sich einen Spass daraus gemacht, die Motoren laut aufheulen zu lassen oder Slalom um die Leute zu fahren, auch einige Geschwindigkeitstester waren dabei, die waren wirklich gefährlich. Du kannst Dir nicht vorstellen, was da auf einmal für ein Chaos war, die schreienden Babies hast Du schon garnicht mehr gehört, überall standen Gemüsekisten zwischen Motorrädern, fertig zum aufladen, aber wir kamen nicht mehr dran, Die Leute haben durcheinandergeschrien und geschimpft, unsere Marktaufseherin hat die Guardia Civil angerufen, aber die liess auf sich warten. Dabei konnten die Motoradfahrer eigentlich garnichts dafür, sie haben an einer organisierten Tour teilgenommen, und da stand anscheinend eben dieser Platz als Treffpunkt auf ihrem Plan, deshalb konnten sie eben auch nicht einfach wieder wegfahren.

Ich bin sicher, diese Geschichte wird noch ein Nachspiel haben, von dem ich Dir dann berichten werde. Nur schade, dass die einheimischen Zeitungen gerade alle Sommerpause haben, und auch schade, dass ich die Kamera nicht dabei hatte. Angelikas Harfe zwischen den ganzen Motorrädern, das wäre ein tolles Foto geworden.

Die älteren Kinder waren völlig aus dem Häuschen, einige wollten fast nicht nach hause. Auf dem Heimweg war dann die Strasse voller Steine und Felsen wie sonst nur nach einem Unwetter, dass muss sich alles durch die vielen Motorräder gelöst haben. Ein grosser alter Drachenbaum oberhalb der Strasse vom Ortseingang Las Tricias ist auseinandergebrochen. Ein paar grosse, verholzte Stücke habe ich mitgenommen. Mal sehen, was sich damit machen lässt.

Im Anhang schicke ich Dir noch ein paar etwas ruhigere Impressionen vom Mercadillo. Angelika habe ich gefragt, sie hat nichts dagegen, mit Namen und allem erwähnt zu werden, im Gegenteil.

Hey Du, ich glaube, es ist nicht der Computer, der süchtig macht, sondern das Leben hier. Da darfst Du auf keinen Fall die Meditation ausfallen lassen, sonst explodierst Du (Bluthochdruck, usw.), manchmal jedenfalls.

Ich wünsche Dir eine fröhliche Zeit!

Liebe Grüße! Antje 

Liebe Karin!

Diesen Brief schreibe ich so, dass Du ihn gleich weiterleiten kannst, dann hast Du nicht soviel Arbeit:

Also erstmal braucht mal ja wohl zwei Palmen, um eine Hängematte aufzuhängen, oder? An den Hauswänden würde ich auf keinen Fall was befestigen, das sind ja bei den Casas Rurales alles Natursteinmauern, und auch, wenn sie veputzt sind, können Steine rausfallen, wenn man da z.B. versucht, einen Nagel reinzuklopfen.

An den Palmzweigen kann man tatsächlich nichts befestigen, aber das werdet ihr schon selber merken. Wenn die Palme hoch genug ist, könnte man um den Stamm einen Strick ziehen und die Hängematte daran befestigen, aber ihr müsst unbedingt Folgendes wissen: Da, wo die Palmblätter aus dem Stamm rauskommen, sind sie nadelspitz und hart wie Metall, mit so einem Stachel könnte man jemand umbringen. Die Pflanze schützt sich so vor Ratten oder anderen Tieren, damit die nicht den Stamm hochklettern und die Datteln klauen, jedenfalls nehme ich an, dass das der Sinn ist. Das ist aber noch nicht alles! Wenn man sich doch mal sticht mit so einem Stachel, dann blutet das sofort und schwillt stark an, in den Stacheln muss irgendein Gift sein! Mir ist das schon passiert, ich muss ja einmal im Jahr an der Palme rumschnippeln. Ich hatte eine Woche mindestens einen blaugeschwollenen Arm, das war nicht so lustig. Übrigens wusste der Arzt sofort Bescheid, als ich ihm das gezeigt habe, das schreibe ich, damit ihr seht, dass das kein Zufall war.

Ich wünsche Euch trotzdem viel Spass mit der Hängematte, falls Ihr sie nach diesen Ausführungen überhaupt noch mitnehmen wollt. Aber wir haben auch eine im Garten, wenn Ihr wollt, könnte ich Euch die auch für die Zeit hier ausleihen.

Und im Anhang noch zwei Palmerafotos, auf dem mit der Blüte könnt Ihr sehr gut die Stacheln sehen, von denen ich rede.

Viele Grüße! Antje

Liebe Karin!

Hier nun endlich die Ketten:
Die Drachenbäume blühen zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten, ich kann da überhaupt kein System oder Rythmus drin erkennen.

Dieses Jahr allerdings sind sie alle voll mit Blüten, ein Ereignis, wie ich es all die Jahre noch nicht erlebt habe. Weil es letzten Winter soviel geregnet hat, sagen die Leute.

Aus den Blüten werden orangerote kirschengrosse Beeren, in denen jeweils 1-2 Samen stecken. Die Kinder im Dorf und ein paar alte Leute sammeln für mich, ich zahle 5 Euros für ein Kilo. Das Fruchtfleisch ist süss und klebrig, wir haben es versuchsweise auch mal eingekocht, schmeckt ein bischen wie Hagebutte, aber im Nachgeschmack bitter.

Nach dem Entfernen des Fruchtfleischs kommt die meiste Arbeit, nämlich das Entfernen der Samenhülle. Dazu gibt es etliche Tricks und Geheimtips, neulich hatte sogar jemand gemeint, Kochwäsche in der Waschmaschine würde funktionieren, aber leider kann ich das bei uns nicht ausprobieren, da das Wasser von der Waschmaschine ja in den Garten läuft, und kochend heiss würde dann wohl alles eingehen. Wenn die Samenhülle weg ist, legen ich die Samen noch ein paar Tage in mein selbstgemachtes Johanniskrautöl, dann glänzen sie in verschiedenen Brauntönen. Danach bohre ich die Löcher zum Auffädeln mit einem kleinen Handbohrer, das riecht ganz lecker nach gerösteten Nüssen, manchmal sogar nach Schokolade.

Wissenschaftlich anscheinend nachweisbar neutralisiert der Drachenbaum Wohn- und andere -gifte, deshalb wird er im Blumentopf besonders für Büroräume empfohlen von einigen grossen Gärtnereien, z.B. auch im Internet.

Da der Samen ja alle diese Informationen enthält, kann so eine Kette zwar nicht heilen aber doch reinigen und, mit verschiedenen Halbedelsteinen kombiniert, deren Wirkung unterstützen. Am besten ist es, wenn die Kette so ungefähr auf der Schilddrüse liegt, darum also so kurz, verstehst Du jetzt? Mittlerweile probiere ich jetzt auch alle möglichen anderen Samen aus, aber es gibt nur ganz wenige, die hart genug sind und nicht schrumpeln beim trocknen. Die Lotusperle scheint so ein Samen zu sein, aber leider gibt es die hier nicht.

Aber dieses indische Blumenrohr habe ich im Garten, es macht kleine runde schwarze Samen, die auch in südamerikanischen Ländern zum Schmuckmachen verwendet werden. Diese Samen müssen nicht behandelt werden, sie glänzen von selber so schön, dafür ist das Löcher bohren viel mühsamer, da sie so glatt sind.

Es macht viel Spass, sich mit diesem für mich neuen Bereich der Botanik zu befassen, nachdem ich meine Kräuter nicht mehr verkaufen darf. Um das “Carnet de Artesania” zu bekommen, musste ich eine Prüfung beim Cabildo machen. Das Carnet braucht man, um seine Sachen auf dem Mercadillo oder auf offiziellen Kunsthandwerkermärkten (Feria) verkaufen zu dürfen. Ich bin also staatlich geprüfte Drachenbaumsamenkettenherstellerin, klingt doch gut, oder?

Also, so eine Kette kostet an meinem Stand 18.- Euros, und wer will, kann sich die Zusammenstellung mit Halbedelsteinen oder anderen Perlen auch gerne selber aussuchen, je nach Sternzeichen z.B.

Es tut gut, wenn man sein Geld mit so einer schönen Sache verdienen kann, und wenn ich welche habe, schenke ich jedem Käufer, der das möchte, noch einen kleinen Drachenbaum für den Blumentopf zuhause dazu.

Viele liebe Grüße! Antje

Liebe Karin! Lieber Peter!

Die Fiesta San Antonio wird überall auf den kanarischen Insel gefeiert so wie eigentlich jeder Schutzpatron und jede Art von Maria. Wenn der Ort dann zufällig noch diesen Namen trägt, ist es das wichtigste Fest des Jahres. Maria Centinela ist die Wächterin, also heißen viele Orte an der Küste so, die geeignet sind, um Piraten zu erspähen.

Dafür muss man sich natürlich einmal im Jahr vor Ort bedanken und dazu die Geschenke des Meeres verspeisen, also Paella für alle, die kommen. “Unser” Centinela liegt auf der äussersten Nordwestspitze der Insel, man kommt traditionell und auch aus technischen Gründen zu Fuss zur Fiesta, da hat man dann schon eine mindestens zweistündige Wanderung hinter sich und ist entsprechend hungrig und durstig.

Viele alte Bräuche und Feste sind dazu da, böse Geister zu vertreiben, wir sind eigentlich optimal geschützt. Wenn aber doch mal alles schief läuft, die Kartoffelpflanzen krank werden, ein Vulkan auszubrechen droht oder ein Sturm aufzieht, heisst es “hay moros al la costa” , die bösen Mauren sind an allem schuld, das ist ja gerade wieder sehr modern.

Die Plaza von Garafia trägt den Namen eines tragischen Helden, der seinerzeit mit ein paar Ziegenhirten von hier loszog, um Piraten zu vertreiben, die die Inselhauptstadt überfallen hatten. Es ist ihm mit seiner Bauernhorde tatsächlich gelungen, die Piraten in einer Strassenschlacht zu besiegen, aber als er sich anschliessend in der Kirche kniend vorm Altar bei Gott dafür bedanken wollte, ist er von hinten von einem Mönch, der ihn für einen verirrten Piraten hielt, erschlagen worden. So wird Heldentum, Ruhm und Brauchtum hierzuland auch immer ein bischen “ad absurdum” geführt und gefeiert, was mir die Geschichte trotz Mord und Todschlag sympathisch, fast lustig, erscheinen lässt.

Zu jeder Fiesta gehört eine heilige Messe und eine Prozession, die alten Bräuche vermischen sich oft auf merkwürdigste Art mit den Riten der katholischen Kirche.

In Garafia besteht der Ort San Antonio aus ein paar Häusern und einer Kapelle, aber es gibt sehr viel ebenerdigen Platz drumherum, was auf den Kanaren eher selten ist, aber ideal für grosse Feste. Diese Fiesta ist speziell den Haustieren gewidmet. Jeder, der ein Tier dorthin bringt, bekommt eine Prämie, wobei kanarische Rassen besonders bevorzugt werden, z.B. die Garafiano-Hunde und die kleinen schwarzen Schweine, auch Käse und Wein werden prämiert. Die Prämien sind hoch genug, dass es sich für viele Bauern wirklich lohnt, das Geld reicht auf jeden Fall aus, um das betreffende Tier ein Jahr lang davon zu ernähren bis zum nächsten Fest.

Nebenbei wechselt bestimmt so manches der Tiere seinen Besitzer oder es werden männliche Tiere für die Zucht ausgesucht, auch wenn es sich nicht direkt um einen Viehmarkt handelt. Jeder Teilnehmer bekommt ausserdem ein gutes, reichliches Mittagessen, manche kommen schliesslich von weit her angereist, einige sogar von den Nachbarinseln. Und natürlich ist die ganze Familie dabei. Weil das Fest über zwei Tage geht, kommen auch viele mit Zelten, da bilden sich lauter kleinere Festkreise mitten im Gelände, so wie bei Euch auf einem Hippiefestival aber mit dem Unterschied, dass hier von der Oma bis zum Säugling alle dabei sind, die Fiesta ist für alle da. Unser Dorf ist dann jedenfalls völlig ausgestorben, alle Läden sind geschlossen, sogar die Kirche ist zugesperrt, kein Mensch sitzt mehr auf der Plaza.

Besonders nett fand ich dieses Mal, dass ich anschliessend vom Rathaus einen Brief bekommen habe, wo sie sich ganz herzlich dafür bedankt haben, dass ich teilgenommen habe und hoffen, dass ich nächstes Jahr wieder mit dabei bin.

Ich glaube daran, dass man “böse Geister” am besten vertreibt, indem man sich die “guten Geister” zu Hilfe holt, also schöne Musik macht, für ein harmonisches Ambiente sorgt und die Natur pflegt. Wenn es mal ganz dick kommt, mache ich ein Feuer in der Feuerstelle vor meiner Tür und verbrenne alles, was mich bedrückt. Im Sommer ist das leider nicht möglich, viel zu gefährlich und auch strengstens verboten, dann zünde ich halt meine Pfeife an. Und wenn ich mal jemand zum reden brauche und keiner da ist, (was allerdings selten vorkommt) dann gehe ich zu “meinem” Drachenbaum, da er für mich irgendwie Ruhe, Gelassenheit und Geborgenheit ausstrahlt, so alt, wie er ist.

Normalerweise leben die Leute auf dem Land aber so mit und von der Natur, dass wenig oder garkeine Zeit zum Träumen und Meditieren bleibt, dafür bestimmt das Wetter und die Jahreszeit den Alltagsablauf, Ich für meinen Teil bin ganz zufrieden damit, denn seit mein Freund gestorben ist, werde ich nur traurig, wenn ich die Angelegenheiten des Lebens gedanklich zu tief hinterfrage.

Um auf Fragen nach dem “Sinn” eine Antwort zu finden, ist für mich auch ein Besuch auf einem der hochtechnisierten Teleskope auf dem höchsten Berg der Insel durchaus sinnvoll. Dort bekommt man beim Betrachen der Sterne vorgeführt, wie nichtig und klein und völlig unwichtig man für die Existenz von allen ist, und als “kleiner Furz im Universum” kann man es sich schliesslich leisten, das kurze Leben dankbar als Geschenk anzunehmen und das Beste daraus zu machen.

Also bis bald! Viele Grüße aus Garafia! Antje

P.S.: Gerade habe ich zwei Elektronik-Spezialisten im Gästehaus, einen aus Jever und einen aus Wien.

Kein legaler Weg nach Europa

Ibru ist zwölf Jahre alt, wenn es stimmt, denn so ziemlich alles, was er auf meine Fragen antwortet, ist gelogen, aber das wissen wir beide. Ibru ist ein Junge mit glitzernden Augen und schwarzer Haut. Er passt auf mich auf wie ein kleiner Hund. Ibru hat grosse Angst vor dem Meer. Erst nach langem Überreden traut er sich an meiner Hand ins Wasser, aber nun spielt er schon seit Stunden mit den Wellen, er paddelt und patscht, und es ist eine Freude, ihm zuzusehen. So eine schöne und unbeschwerte Zeit hat er wohl selten in seinem Leben, vielleicht noch nie – und so sauber war er auch noch nie.

Ibru hat noch nie ein Eis gegessen, einen Film angeschaut oder in einem Bett geschlafen. Er besitzt nichts, ausser dem, was er bei sich trägt. Er hat kein Zuhause, keinen Geburtstag, keine Vergangenheit und keine Zukunft. Ibru ist noch nie zur Schule gegangen, obwohl es sein grösster Wunsch wäre. Er kann nicht lesen und schreiben, aber wenn er Musik macht oder trommelt, spricht ganz Afrika aus ihm.

Hier trommeln alle, Tag und Nacht, aber wenn Ibru trommelt, ist er der Erste, alle folgen seinem Rhythmus. Seine Handflächen sind hart wie Holz, seine Hände bewegen sich schneller, als man schauen kann, aber wie man einen Schreibstift oder einen Löffel hält, muss er erst lernen. Erst malen wir, dann schreiben wir seinen Namen und alle, die uns sonst noch einfallen. Er kopiert alles, was ich vorgebe sorgfältig und originalgetreu, sogar meine Handschrift. Er kann nicht genug bekommen, am Ende schreibt er alles ab, was rumliegt.

Ibru macht die Arbeit für unsere kleine Truppe, er muss das Gepäck schleppen, saubermachen, Wäsche waschen, Wasser holen und auf mich aufpassen, wenn die anderen was Besseres vorhaben. Stundenlang sammelt Ibru Muscheln für mich und macht Musik für mich. Ibru hat immer Hunger. Er hat fast alle unsere Vorräte aufgegessen, nachher hatte er einen kugelrunden Bauch, auf den er sehr stolz war. Ibru darf nicht schlafen, fallen ihm die Augen zu, wird er reichlich unsanft geweckt. Da ist niemand, der Ibru in den Arm nimmt oder tröstet, wenn er traurig ist, aber Ibru darf auch nicht weinen. Wer hier Schwäche zeigt, wird ausgelacht. Ibru hat keinen Pass, eigentlich gibt es ihn garnicht, würde er verschwinden, gibt es niemand, der ihn vermissen würde. Aber Ibru ist auch ein Geschenk des Himmels, ich habe fünf wunderschöne Tage mit ihm verbracht, in denen er Kind sein durfte und das so sehr genossen hat, dass wir fast beschlossen hätten, die Zeit anzuhalten.

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Ich lebe seit mehr als 13 Jahren mit meinen Kindern in Garafia und war letztes Jahr in den Weihnachtsferien als Touristin in Guinea/Conakry – mit Iberia-Flug von Gran Canaria nach Dakar…

Ganz zufällig habe ich dort einen Strassenjungen kennengelernt, im Anhang füge ich einen Text ein, den ich seinerzeit über ihn geschrieben habe. Zurück auf La Palma war ich fest entschlossen, den Kleinen legal hierherzuholen, man hat mich zwar gewarnt, dass das schwierig und teuer werden würde, aber sein hoffnungsvoller Blick zum Abschied hat mich nicht mehr losgelassen.

Ich habe leider schon vor Ort in Guinea feststellen müssen, dass Hilfsorganisationen nur Projekte unterstützen, für Einzelschicksale ist dort kein Platz.

Ich habe mich an die deutsche Botschaft in Conakry gewandt, eine spanische Botschaft gibt es nämlich dort nicht.

Die deutsche Botschaft hat mich an die spanische Botschaft in Dakar verwiesen, von dort bekam ich dann eine Mail, dass ich mich an die Subdelegacion del Gobierno de Canarias wenden müsste.

Ich bin also nach St.Cruz gereist, dort bekam ich ein Formular, auf dem alle für eine Adoption erforderlichen Papiere und Bescheinigungen aufgelistet waren.

Ich habe Geld nach Guinea geschickt, um für das Kind einen Pass machen zu lassen, eine Einverständniserklärung der Eltern musste amtlich übersetzt werden, hier vor Ort musste ein Architekt die Wohnlichkeiten dokumentieren, usw., usw. Dank der Hilfe vom Ayto. de Garafia und dem Bürgermeister von Puntagorda, wo ich auf dem Mercadillo meinen Arbeitsplatz habe, hatte ich nach drei Monaten alle auf dem Formular geforderten Unterlagen, aber wie immer hat noch das eine oder andere Papier gefehlt. Man will seine Sache gut und gründlich machen, hat man mir jedes Mal erklärt, das musste ich ja wohl einsehen.

Endlich ist keinem auf der Subdelegacion noch irgendein fehlendes Formular eingefallen, die Papiere wurden nach Teneriffa geschickt, von dort bekäme ich innerhalb von vier bis sechs Wochen Bescheid, hieß es.

Tatsächlich rief mich nach zwei Monaten jemand aus Teneriffa an, auf dessen Schreibtisch die Papiere gelandet waren, der aber nicht zuständig war. So ging es noch eine Weile hin und her, und nach etlichen Telefonaten teilte man mir mit, dass es nicht möglich sei, das Kind zu adoptieren, ich könnte höchstens ein zeitlich begrenztes Visum bekommen und das auch nur zu einem speziellen Anlass, etwa für einen dringend notwendigen Arztbesuch, ein Studium o.ä., aber dafür müsste ich andere Formulare ausfüllen und neue Papiere bringen. Also alles von vorne, mittlerweile kennen mich alle beim Gobierno mit Vornamen und geben Küsschen, wenn ich auftauche, aber Ibro ist in dem einen Jahr einmal fast verhungert und einmal fast an einer schlimmen Infektion gestorben – ein Glück, dass ich jemand in Conakry gefunden habe, der sich zeitweilig ein bischen um ihn kümmert. Die für ein Besuchervisum notwendigen Papiere hatte ich etwas schneller, aber nachdem die nach Teneriffa losgeschickt waren, hiess es dann, die Eltern von dem Kind müssten auf die spanische Botschaft in Dakar und dort ihre Einverständniserklärung vor dem spanischen Konsul unterschreiben. Das wären ein paar hundert Kilometer Reise für eine Frau, die zwölf oder nochmehr Kinder hat und einen Mann, der uralt und krank ist, vier Frauen hat und Ibro garnicht kennt, beide sind Analphabeten und haben kein Geld, wie soll das wohl gehen?

Und jetzt…? haben sich – angeblich – die Gesetze geändert und die Subdelegacion ist nicht mehr zuständig, ein Visum bekomme ich, falls überhaupt, nur über die spanische Botschaft in Dakar, die aber auch beim dritten Anlauf zurückgemailt hat, dass sie ebenfalls nicht zuständig ist. Und als ich darum bat, dass man mir in dem Fall doch bitte alle beigebrachten Unterlagen zurückgeben sollte, hatte man sie bereits weggeschmissen, das finde ich jetzt wirklich schlimm und vermute zum ersten Mal sogar schon fast Sabotage! Der illegale Weg hierher ist lebensgefährlich, aber einen anderen gibt es definitiv nicht, oder? Dabei gibt es hier soviele Menschen, die konkret helfen wollen, und kein Geld an irgendeine anonyme Organisation spenden wollen, weil sie (berechtigterweise) kein Vertrauen dazu haben. In Guinea liegt die allgemeine Lebenserwartung derzeit bei 36 Jahren, da haben die Leute wirklich nichts mehr zu verlieren. Übrigens ist es verboten, im Hafen von Conakry zu fotografieren, obwohl dort nur Schrott rumliegt, jetzt wissen wir ja, warum…

Viele Grüße! Antje

Ferienunterkunft in Garafia/La Palma

Am Rand von St.Domingo de Garafia, einem kleinen Dorf im Nordwesten der kanarischen Insel La Palma, vermietet Antje privat ein kleines Gästehäuschen. Es hat ein Doppelbett und ein Etagenbett, davor eine kleine Terrasse und daneben Toilette und Dusche. Es ist angebaut an ein original-kanarisches Natursteinhaus, in dem sich unsere gemütlich eingerichtete Wohnküche mit Hochbett, Schlafsofa und Klavier befindet.

Es liegt auf ca. 350 M.ü.M., zur Dorfplaza sind es drei Minuten zu Fuß, zum Meer eine halbe Stunde. Das Leben hier ist sehr naturverbunden, ideal für Leute, die Ruhe suchen oder wandern wollen. Allerdings solltet Ihr einigermaßen gut zu Fuß sein, da man nicht mit dem Auto vorfahren kann. Von der Strasse geht es cirka 150 Meter auf einem kleinen steilen Fußpfad bis zum Haus.

Es kostet mit Frühstück pro Tag 15 Euro für eine Person und 25 Euro für zwei Personen. Wahlweise biete ich ein Abendessen für 5 Euro pro Person an. Bettwäsche und Handtücher sind vorhanden, Taschenlampen müssen mitgebracht werden.

Nach Absprache ist evt. auch die Nutzung der Waschmaschine und des Internets möglich. Wenn Ihr
möchtet, kann ich Euch auch ein günstiges Leihauto reservieren, das am Flughafen schon für Euch
bereitstehen würde.

Antje Dieckmann
E-38787 Garafia, La Palma, Spanien
Tel.: 0034 – 922 400 407
Antje.Fotogarafia@gmx.net